Tiana Kruškić Die Musik ist mein Zuhause
Singen war schon immer ihr Leben. Tiana Kruškić (36) wusste schon als 4-Jährige, dass sie Sängerin werden möchte. Sie lernte sprechen, nachdem sie singen konnte, und wuchs behütet in einer kleinen Stadt in Bosnien auf. Ihr Vater von Beruf Richter, ihre Mutter Lehrerin, ihre Kindheit unbeschwert – bis sie 1992 wegen des Bosnienkriegs ihre Heimat verlassen musste.
Sie flüchtete mit ihrer Familie nach Deutschland, wo sie erst mal bei ihren Großeltern in Braunschweig unterkommen konnten, mussten aber lange mit der Ungewissheit leben, ob sie bleiben können oder möglicherweise abgeschoben werden. Die unbesorgte Kindheit vorbei. Die Unbeschwertheit, die Leichtigkeit, die Nähe zur Heimat und zu vielen geliebten Menschen nicht mehr da. Nur die Musik ist ihr immer geblieben. Lieder über Trauer, Liebe und Hoffnung waren damals ihr Ventil, ihre Therapie, um mit dem Verlust ihrer Heimat, ihres Zuhauses fertig zu werden. Seitdem hat die Musik für sie schon fast einen religiösen Stellenwert, bedeutet Heimat, Schutz und Freiheit.
Heute ist sie selbstständige Musikerin, tritt mit ihrer Band „Kleopetrol“ auf, ist häufig als Gastmusikerin beim Ensemble des Schlosstheaters Celle. Viele kennen sie auch als Finalistin aus der Castingshow „The Voice of Germany“ 2013. Wir sprechen mit ihr über Musik, was diese ihr bedeutet und welche Projekte ihr besonders am Herzen liegen. Außerdem wollen wir wissen, wie sich die Coronapandemie auf die Kulturszene und ihre eigene Situation auswirkt und wie sie es schafft, dennoch optimistisch zu bleiben.
"Wenn ich Musik mache, wenn ich auf der Bühne stehe, dann bin ich frei."
Tiana Kruškić
Hören Sie hier das vollständige Interview:
Zuhause (ZH): Herzlich willkommen, Tiana. Ich freue mich sehr, dass wir dieses Interview mit Dir machen können, und würde mich freuen, wenn Du Dich einmal kurz vorstellst und sagst, wer Du bist und was Du machst.
Tiana Kruškić (TK): Hallo. Ich freue mich auch sehr, hier zu sein. Mein Name ist Tiana Kruškić. Ich bin 36 Jahre alt und bin Musikerin von Beruf.
ZH: Wie bist Du zur Musik gekommen?
TK: Ach, eigentlich bin ich nie dazu gekommen. Es war in mir. Mein Papa war immer Musiker. Meine Mama schrieb Ge dichte. Und ich habe sprechen gelernt, nachdem ich sang.
ZH: Wie ging es weiter? Gab es da noch weitere Personen, die Dich beeinflusst oder inspiriert haben?
TK: Ich wusste schon sehr früh, mit vier Jahren, dass ich singen und Musik machen möchte. Wir flohen wegen des Bosnienkriegs nach Deutschland und wohnten zunächst bei meinen Großeltern in Braunschweig. Und die Nachbarin meiner Großeltern hörte, dass ich sang, und machte uns auf den Aegidien-Chor aufmerksam.
Und dann überschlugen sich die Ereignisse. Ein Jahr später war ich dann am Staatstheater in Braunschweig. Und machte bei Projekten wie „Jesus Christ Superstar“, einer Rockoper, und „Ein Sommernachtstraum“ mit. Ich konnte zum ersten Mal Theaterluft schnuppern und war begeistert. Als ich in der fünften Klasse war, wurde an meiner Schule eine Band gegründet und ich als Sängerin vorgeschlagen. Und dann wurde meine Geschichte bekannt, und dass uns möglicherweise die Abschiebung drohte. Meine Schule hat sich sehr dafür eingesetzt, dass wir bleiben konnten.
Wir haben mit der Band bei Wettbewerben teilgenommen und ich sang die Lieder meines Vaters. Musik hatte für mich schon immer einen politischen Charakter und bedeutete außerdem schon immer Freiheit für mich. Wenn ich auf der Bühne stehe und singe, dann bin ich ich und bin frei. Dann kann ich sein, wer ich bin. Andererseits war Musik immer ein Ventil für Trauer, Liebe und Hoffnung.
ZH: Für welche Projekte setzt Du Deine Stimme ein?
TK: Wir Künstler haben meiner Meinung nach eine besondere Pflicht, nämlich die Stimme zu erheben und sie zu nutzen, um Massen zu bewegen. Gegen Rassismus, Diskriminierung, gegen Ungerechtigkeit und für die Freiheit und Gleichberechtigung aller Menschen.
Und ich bin es auch denjenigen schuldig, die uns damals geholfen haben, hierzubleiben. Unser Ziel bei dem Projekt „If a bird“ ist es, in jedem europäischen Land eine Jugendband zu gründen und diese dann zu vernetzen. Dieser Austausch konnte aufgrund von Corona jetzt das zweite Jahr in Folge nur eingeschränkt stattfinden und wir hoffen, dass wir nächstes Jahr endlich richtig starten können.
ZH: Der Song von Deiner Band Kleopetrol „When This Sh*t Is Done” hat mich persönlich letztes Jahr durch die Zeit des ersten Lockdowns getragen. Der Song versprüht Optimismus, obwohl es um dieses Thema geht. Magst Du uns erzählen, wie der Song entstanden ist?
TK: Also erst mal gab es den Lockdown und keiner wusste, was los ist. Alles stand still. Zunächst dachten wir: Wenn das vorbei ist, dann fahren wir wieder hierhin und dorthin und machen ein Festival. Nach einiger Zeit änderten sich aber die Themen und wir sprachen darüber, dass wir zum Beispiel endlich wieder unsere Oma küssen möchten. Das hatte dann auf einmal eine ganz andere Tragweite. Und dann kam mein Mann Billy Ray, der ja generell alle Songs für Kleopetrol komponiert, und meinte: „Ich habe den Post-Corona-Song.“ Und dann war alles ganz schnell klar. Billy Ray hat den Song innerhalb von fünf Tagen geschrieben. Wir haben ihn coronakonform aufgezeichnet und dazu ein Video gedreht. Das ging so schnell. Aber wenn das Gefühl erst mal da ist und wenn es so ein rundes Ding ist, dann lass es fliegen.
ZH: Wie schaffst Du das, mit dieser coronabedingten Einschränkung als Künstlerin nach vorn zu schauen?
TK: Es ist teilweise wirklich schwierig und man fragt sich, wie das weitergehen soll. Wie wir danach weitermachen. Ich habe aber auch die Hoffnung, dass Musik und Kunst an Wert gewinnen werden. Weil die Menschen genauso ausgehungert danach sind wie wir Künstler. Das ist mein Glaube, meine Liebe, meine Hoffnung.