02.11.2022

Nachtschicht am Teleskop Ein Gespräch mit dem Astrofotografen Nils Wiegmann

Wenn andere schlafen gehen, fängt für den Wolfsburger Astrofotografen Nils Wiegmann die Nacht erst richtig an. Zumindest wenn es eine klare Nacht ist. Dann peilt er mit seiner Kamera Objekte am Himmel an, die man mit bloßem Auge nur noch erahnen kann.

Angefangen hat Nils Wiegmann mit der Fotografie vor etwa sechs Jahren, damals zunächst mit Landschaftsfotografie. Eines der Objektive, mit denen er dabei arbeitete, war wegen seiner sehr offenen Blende auch dazu geeignet, zum Beispiel Aufnahmen der Milchstraße zu machen.

Seine Neugierde war geweckt, er probierte vieles aus, recherchierte im Internet und tauschte sich mit ande­ren Astrofotografen aus. Um auch mit längeren Belichtungszeiten arbeiten zu können, fehlte ihm aber zunächst noch eine spezielle Vorrichtung. Denn im Vergleich zur normalen Fotografie, bei der man nur wenige Hundertstelsekunden belichtet, sind es bei der Astrofotografie Sekunden, Minuten oder sogar Stunden. Und schon bei einer Aufnahme von nur etwa 30 Sekunden macht sich die Erdrotation auf einem Bild in Form von Strichspuren bemerkbar, sodass eine mechanische Nachführung der Kamera zwingend notwendig ist.

Aufnahme der Andromeda-Galaxie
Aufnahme der Andromeda-Galaxie

„In der Astrofotografie macht man von einem Motiv nicht nur eine einzelne Aufnahme, sondern viele Bilder, die dann mithilfe einer Software übereinandergelegt werden. Auch die Lichtverschmutzung in dem Bereich, wo man fotografiert, spielt hierbei eine große Rolle. An einem Ort mit geringer Lichtverschmutzung erzielt man auch schon mit wenigen Bildern sehr gute Ergebnisse. Wohnt man aber in der Stadt, wird das schon schwierig.“

Nils Wiegmann

Auch das Wolfsburger Planetarium widmet sich dem Thema Lichtverschmutzung und viele junge Besucher berichten, dass sie die Milchstraße tatsächlich noch nie mit bloßem Auge sehen konnten, da es hierzu in der Stadt einfach nicht mehr dunkel genug wird. Zur Beurteilung der Lichtverschmutzung wird die sogenannte Bortle-Skala verwendet. Sie reicht von 1 (perfekt dunkler Himmel) bis 9 (Himmel im Zentrum einer Großstadt).

„In ländlichen Gebieten im Osten Deutschlands kann man Bereiche mit Bortle 3 finden, was in Deutschland aber auch schon das Minimum ist. Bortle 1 und 2 kommen in Deutschland nicht vor. Daher ist für Astrobegeisterte Namibia als Reiseziel sehr beliebt, wo man Bortle 1 vorfindet. Dort gibt es tatsächlich Hotels, sogenannte Astrofarmen, die sich auf diese Zielgruppe spezialisiert haben. Man kann dort Equipment mieten oder sein eigenes Equipment mitnehmen“, verrät Wiegmann.

In Rühen, wo Wiegmann lebt, liegt der Wert bei Bortle 4. „Für die Astrofotografie ist das noch okay“, so der Astrofotograf. „Sternbilder, die von meinem Zuhause aus in Richtung Südwest dicht über dem Horizont über Wolfsburg stehen, eignen sich nicht für eine Aufnahme. Am besten ist es, wenn das Objekt, das ich fotografieren möchte, weit oben am Himmel steht. Je näher man dem Horizont kommt, desto ungünstiger ist der Winkel, in dem man auf das Objekt blickt, denn so blickt man quer durch die Luftschichten, in denen sich Staubpartikel oder Nebel befinden.“

Ein Bild des Sternenhimmels über einem Feld

Die ersten Erfolge mit der Astrofotografie im Jahr 2019 motivierten Nils Wiegmann, sich immer weiter mit dem Thema zu befassen, und bald folgte noch aufwändigeres Equipment für sogenannte „Deep Sky“- Aufnahmen, mit dem Nebel, Galaxien und Sternhaufen fotografiert werden.

„In den letzten eineinhalb Jahren habe ich das sehr intensiv gemacht. Das war dann teilweise schon so, dass ich jeder klaren Nacht hinterhergehechtet bin. Ich arbeite in drei Schichten bei VW als Zerspanungsmechaniker. Wenn es dann beispielsweise hieß, dass es am Freitag eine klare Nacht geben wird, habe ich noch kurzfristig versucht, Urlaub zu beantragen.“

Irgendwann war es dann fast schon ein Zwang, in klaren Nächten Bilder zu machen. Das hat mir sonst keine Ruhe gelassen. Inzwischen bin ich damit zum Glück entspannter.“

Nils Wiegmann, Astrofotograf

Die kommenden Wintermonate eignen sich wegen der langen Dunkelheit natürlich besonders gut für die Astrofotografie, sodass man wohl schon gespannt sein darf auf neue Bilder von Nils Wiegmann. Auf seinem Instagram-Profil finden Sie immer die aktuellsten Bilder und viele weitere beeindruckende Aufnahmen von Nils Wiegmann, unter anderem von der Andromedagalaxie und faszinierenden Gasnebeln.

Fotos: Nils Wiegmann